Bevölkerungsökonomik

Bevölkerungsökonomik
Demoökonomik. 1. Begriff: Richtung der Volkswirtschaftslehre und -politik, die sich mit ihrem gesamten theoretischen und wirtschaftsstatistischen Rüstzeug den Bevölkerungsphänomenen widmet. Die Bevölkerungsfrage steht schon am Beginn des nationalökonomischen Denkens und erfuhr im Schrifttum der  Kameralistik ( Merkantilismus), der Physiokratie und schließlich der englischen Klassik schon seine feste Einfügung. Die Grundhaltung zur Bevölkerungsfrage der Zeit spiegelt sich auch in den Wirtschaftsdoktrinen. Kameralismus und Merkantilismus behandelten Bevölkerung wie Gold: Als Quelle des Reichtums musste sie um jeden Preis beschafft und vermehrt werden. Erst das Gesetz vom abnehmenden Bodenertrag (Ertragsgesetz) schärfte den Blick dafür, dass es ein optimales Verhältnis von tätiger Bevölkerung und Produktion geben müsse (Optimumtheorie), das sich jedoch jeder politischen Verwirklichung entzog. Die Fortschrittsgläubigkeit der Aufklärungsphilosophie (Condorcet, Godwin) gebärdete sich hemmungslos; sie verhieß eine unbegrenzte Vervollkommnungsfähigkeit des Menschengeschlechts. Sie fand in  Malthus den ersten Korrektor: Der Geschlechtstrieb bringe eine Menschenvermehrung und Katastrophen hervor, die jeden Gedanken an ungebremsten Fortschritt und Harmonie in menschlichen Dingen ins Reich der Fabel verweisen. Brinckmann hat gleich nach dem letzten Krieg erklärt, dass der Gegensatz zwischen Godwin und Malthus für den weiteren Weg der Menschheit bedeutsamer wäre als derjenige zwischen Lohnarbeit und Kapital, wie  Marx noch dachte – was sich durch die Existenz von Wohlfahrtsgesellschaften und den ab Beginn der 90er Jahre einsetzenden Reformkurs der ehemaligen Ostblockstaaten wohl bestätigte.
- 2. Probleme: Der Gegensatz jedoch zwischen jakobinischer Hybris und der Vergeblichkeit menschlichen Strebens setzt sich im 21. Jh. als einer zwischen der Bestrebungen des Menschengeschlechts und der begrenzten Biosphäre fort. Ob ein Zuviel oder Zuwenig an Bevölkerung vorliegt, wird von den Produktionsaussichten (Investitionen) und den Herrschaftsinteressen bzw. Staatszielen bestimmt. Sowohl die Vorstellungen eines Zuviel an Menschen wie eines Zuwenig lösen Maßnahmen bez. Geburten und Wanderungen aus. Sie wandeln sich auch oft nach einer Generation, wozu Ernst Wagemann und die dänische Agrarhistorikerin Boserup die Erklärung lieferten: Überbevölkerung löse einen Produktivitätsschub aus, der sich über alle Wirtschaftssektoren verbreite und in der Summe wieder zu Arbeitskräfteknappheit führe. Zu dieser Alternation gibt es kein allgemeines Gesetz, ebenso wenig zum Verhältnis von Bevölkerung und Natur. Es ist Aufgabe jeder Generation, diesen Stoffwechselprozess zwischen Menschentätigkeit und Natur zu betreiben und zu kontrollieren: Sie darf dabei ihr Naturkonto nicht heillos überziehen, darf nicht Zukunft diskontieren, wenn die nächste Generation noch eine Zukunft haben soll.
- 3. Je nach Fragestellung kann die  Fertilität,  Mortalität oder Migration ( Wanderung) im Vordergrund stehen.

Lexikon der Economics. 2013.

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